Sommerfreizeit 2024

Ein lyrischer Einblick in die Sommerfreizeit 2024 auf der Altenvogtshütte im Schwarzwald.

Zum Eintauchen, Träumen, Erinnern und Freuen.


Bis zum Horizont und darüber hinaus

AUS DEM LEBEN DES KOLLEGEN SCHNÜRSCHUH


„Gut geschnürt, Meister!“

„Gut gestampft, Kollege!“

„Genau! Und weiter werde ich stampfen, werde stampfen und – wäre ich ein Huf – auch scharren: kann es denn nun endlich losgehen?!“

„Ach, wart’s doch ab, gib’ ihnen nur diese Augenblicke noch – lass’ sie sich begrüßen, lass’ sie ihre lieben Listen schreiben, ihre sieben Sachen packen und eine Abschiedsträne weinen… Und all die guten Ratschläge erst, die es auf dieser Welt gibt – sollen die Zurückbleibenden sie etwa wieder mit nach Hause nehmen und ihre Kommoden damit füllen?“

„Ja, ja, was musst du auch immer SO schrecklich geduldig sein…, und ich, ich werde schon ganz platt von dieser Stampferei. Aber, sieh’ mal, da vorne geht es los! Auf, auf, Meister, wir wollen schnell sein und ganz an der Spitze gehen!“

„Gut, gut, Kollege, nur schone mir unsern Schützling Träger noch ein wenig, wir wollen ihn schließlich nicht gleich zu Beginn aus der Puste bringen.“

Da ziehen sie also, zwanzig Kinder mit ihren sechs Begleitern, den Berg hinauf, vom Bahnhof Hinterzarten aus, hinein in den Wald, vorbei am Mathisleweiher und hin zur Altenvogtshütte. Der Augustregen beehrt sie mit seiner Anwesenheit, um sich jedoch pünktlich zu jeder Pause zurückzuziehen und die Gruppe erste gemeinsame Spiele spielen zu lassen.

Mit warmen Köstlichkeiten empfängt ihre Neuankömmlinge die Hütte — köstlich prasselt es im Kamin, köstlich dampft es aus den Tellern… kein Grund jedoch, den gemütlichen Ort mit vollen Bäuchen und trockenen Socken nicht wieder zu verlassen und erste Auskundschaftungen vorzunehmen.

Lange nach dem ersten Käuzchenruf ist das letzte Lied gesungen, letztes Flüstern ist geflüstert, das letzte Licht gelöscht, ein letztes Kichern ins Ohr geperlt… und nur, wer ganz genau hinhört, könnte meinen, es vor dem Ofen noch zischeln zu hören:

„He, macht doch mal Platz, ich bin ja so durchnässt und bekomme hinter euch Riesenlatschen gar keine Wärme ab.“

„Tja, Kollege, jeder ist mal klein gewesen, warte nur, bis du die Vierzig geknackt hast, da sieht die Welt ganz anders aus; und bis dahin — nimm’ Vorlieb mit einer ordentlichen Portion Zeitung!“

Pff“, hört man es da nur noch, „arroganter (Schn)öse(l)“.

Was zwischen dieser letzten nächtlichen Unterhaltung und dem ersten schlaftrunkenen Köcheln der Haferflocken geschieht, weiß niemand. Niemand jedenfalls von denjenigen, die sich — frisch aus dem Bett gepurzelt — auf den Weg zum Mathisleweiher machen. Von Nacht und Nebel ist der Nebel übrig geblieben; er schmückt auf wundersam eigenartige Weise die Oberfläche des Wassers. Zu den tappenden Schritten, zu staunenden Blicken, die über den Weiher schweifen, gesellen sich Quarten, Oktaven, Quinten — der Tag ist eingetroffen!

„Und dafür bin ich nun hergekommen?! Den ganzen Weg auf 1000 Meter hinauf, um jetzt den lieben langen Tag hier in der Hütte herumzustehen und nichts zu tun zu haben. Wo bist du überhaupt? Meister? Was fällt denen bloß ein, uns so einzeln hier herumfliegen zu lassen…“

„Aber, aber, wir werden uns doch nicht gleich so aufregen müssen. Mein hochgeschätzter Kollege, hier bin ich doch, gleich neben dir. Und jetzt schau’ einmal über deinen Sohlenrand hinaus, da wirst du schon entdecken, warum wir heute einen Pausentag einlegen dürfen.“

Tatsächlich: um die ganze Hütte herum herrscht ein fröhliches, geschäftiges Treiben. Da werden Gefäße getöpfert, Papier wird geschöpft, Schalen mithilfe glühender Kohle hergestellt, Aufstriche und Müsliriegel verströmen ihren Duft, so, dass es eine wahre Freude ist.

Und außerdem, du kleiner Hansdampf, wartet morgen ein Ereignis auf uns, bei dem du dich so richtig ins Zeug legen kannst. Also, auf einen kräftigen Schlaf heute Nacht und dann, allzeit reibungslose Schritte und ein gutes Profil.“

Was da also auf unseren unermüdlichen Kollegen Schnürschuh wartet, ist der Hinterwaldkopf, der erwandert werden will. Bergauf, bergab, vorbei an uralten Schwarzwaldhöfen mit ihren uralten und neuen Geschichten, vorbei an äsenden Kühen, an vielseitig brauchbaren Pflanzen und plätschernden Brunnen.

Was für ein Tag! Fast ist er imstande dazu, unseren jungen Freund darüber hinwegzutrösten, dass er am nächsten Tag wieder die Hütte hüten wird, solange die Kinder weiter werkeln. Ja, er staunt sogar nicht schlecht, als ihm zu Ohren kommt, dass ein waschechter Brennofen die getöpferte Ware durch und durch brennen und nutzbar machen soll…

„Und außerdem, Meister, bin ich sicher, dass wir bald wieder gebraucht werden — irgendwann muss doch auch einmal eine Nachtwanderung stattfinden!“

Ja, und irgendwann geht auch das Schönste zu Ende, da brennt das letzte Holzscheit herunter, der Geschichtenerzähler entrollt das letzte Stückchen seines roten Garns, der letzte Sommerschlummer wird geschlummert — bevor es am andern Tage wieder ins Tal hinab geht und es heißt, Abschied zu nehmen, um neu begrüßen zu können.

Gut gereist, Kollege!“

Gut getragen, Meister!“

Inmitten des fröhlichen Geplauders, inmitten bunter Wiedersehensfreuden, hat sich der Wagen mit dem goldenen Fenster, der unsere Geschichte erzählt hat, still auf den Weg gemacht; denn das letzte Scheit an diesem Ort, wird lange nicht das letzte auf der Welt sein. Und, sieh’ nur ganz genau hin mit deinen Falkenaugen, wie es zart golden glänzt, dort, hinter dem Horizont.