Zurück von der Sommerfreizeit 2022

Meine Hochverehrtesten aus nah und fern,

was ich Euch berichten will, ist von äußerster Wichtigkeit. Selten erfuhr meine arbeitssame Feder eine solch ehrenvolle Aufgabe wie diese mir nun obliegende. Ich darf, nein, ich will, ich muss geradezu Zeugnis ablegen über eine Angelegenheit, die sich jüngst in meiner alten Hütte abspielte. Es war um die letzten Tage des hohen Augusts, als mich die Verpflichtung meines Amtes zu weiter Reise rief. Da war guter Rat teuer – wer um alles in der Welt sollte während meiner Abwesenheit die gute Hütte hüten? Wie groß war also meine Freude, als am Tag meiner Abreise eine Schar fröhlich plappernder Wesen den Berg zu meiner Wohnstätte herauf gestapft kam und verkündete, sie würde nun hier einziehen – für ein paar Tage nur und eben gerade so lang wie mich die Geschäfte in der Ferne zu halten versprachen. Getrost konnte ich da Sorgen und Beine hinter mich werfen und zur rechten Zeit aufbrechen, wohl wissend, dass Hütte, Wiesen und Wälder in wohlwollenden Händen waren.

 

Ja, und ob sie das waren! Selten habe ich meine gute Hütte so fröhlich Knacken und Knarzen gehört wie jetzt, seit sie bis unter das Dach bewohnt, was sage ich – belebt wurde. Mir raubt sie fast den Schlaf mit all ihrem Erzählen von knapp zwei Dutzend Kindern und deren Werken. Da wurden Stoffe kunstfertig geknotet und gefärbt, bunte Lampions gebastelt, es wurden herrliche Leckereien gebacken und von dem nahen Feuer zog der Duft einer guten Suppe um die staunenden Fensterrahmen.
Leise flüstert meine getreue Hütte, wenn sie mir die Geheimnisse anvertraut, die getuschelt, gekichert oder geschluchzt wurden; einzig, wo sie die Tränen bewahrt, die sie alle still gezählt hat, das verrät sie einem alten Grobklotz wie mir nicht…

 

Ja, und dann der Wald! Stunden brauche ich für meine täglichen Gänge jetzt, wenn ich durch allzu schnellen Schritt nicht unhöflich werden und den Bäumen das Wort abschneiden will. Hoch aufgerichtet erzählt der eine, wie er Versteck gewesen ist während der großen Spiele; ein anderer erinnert den Rücken, der sich schwer atmend an ihn lehnte, um sich gleich darauf ins Unterholz zu schlagen oder lautlos davon zu schleichen. Moosige Mulden murmeln von weicher Ruhe und die Zapfen taumeln noch wirr von luftigen Flügen; die Schaukel nickt so sinnend vor sich hin, baumelt her und baumelt hin an leisen Schnüren… Ich muss tiefer in den Wald eindringen, um noch einen Brombeerstrauch zu entdecken, der nicht feinsäuberlichst abgeerntet in der Landschaft straucht.

Ha, und wenn er könnte, würde der blanke Spiegel des Mathisleweiher wohl ein blankes Lachen von sich geben, so sehr gluckst er noch vor lauter Plitsch und Platsch schwimmender Kinder und kräftiger Ruderschläge. Und dann, für eine ganz besondere Geschichte, musste ich weit gehen, um sie zu erfahren – der wohl älteste Geselle unter meinen Bekannten kratzt sich noch immer den kahlen Hinterwaldkopf vor Erstaunen seit er fast drei Händen voll Wanderern Raststätte war zur Mittagszeit: munkeln habe er es gehört, dass diese Wanderer wahnwitzige 19 Kilometer zu Fuß zurücklegten. Bis zum Donnerdrummel seien sie gelaufen und noch weiter! Und damit nicht genug – unterwegs seien die tollsten Geschichten entstanden, die wohl an die drei bis potztausend Worte enthielten.

Übervoll bin ich von all den Berichten und habe Euch, meinen Verehrtesten, längst nicht alles niedergeschrieben. Und dann erst die Ereignisse, die ich höchstselbst noch nicht kenne! Ja, all die Geschichten, die noch zwischen den Wurzeln versteckt liegen, unter knarrenden Dielen lagern oder wie die Tautropfen an den Gräsern hängen – all dies Wundersame aufzuschreiben würde wohl länger brauchen, als mir auf meine alten Tage noch vergönnt ist. Dennoch, ich will mein Wort darauf geben und meine achteinhalb Haare noch obendrauf, dass jede Hütte der Welt diesem teuren Besuch anvertraut werden kann; Wälder können von demselben bespielt und Weiher überquert werden.

Ich grüße in die Nähe und in die Ferne –

höchst hochachtungsvoll,

 

Euer Vogt.